Rede zum Haushalt des Märkischen Kreises 2015

Manuel Huff

Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bürgerinnen und Bürger,

es gibt bestimmte Dinge, die man jedes Jahr blind in Haushaltsreden einbauen kann, ohne den Haushalt aufgeschlagen zu haben.
Eines davon ist, dass das ständige Monieren der schlechten Finanzausstattung der Kommunen von Parteien, die auf Landes- und Bundesebene für eben diese sorgen, höchstens als Realsatire herhalten kann.

Auch Landrat und Kämmerer haben bei der Haushaltseinbringung darauf hingewiesen, dass dem Kreis das Wasser bis zum Hals steht.
So richtig die Kritik im Kern sein mag, so sehr muss man sich die Frage stellen, warum die Kritiker dann hier Parteien vertreten, die diese Misere durch ihre Kürzungspolitik in Bund und Land zu verantworten haben?
Diese Kritik wird ja auch von ihren Parteikollegen in nahezu allen Kreisen, Städten und Gemeinden in gewohnter Regelmäßigkeit vorgebracht. Ich frage mich, was Sie dann eigentlich in ihren Parteigremien besprechen?

Es ist richtig, die kommunale Finanzausstattung ist völlig unzureichend. Die Sparabsichtspolitik der vergangenen Jahre wird jedoch keineswegs zu einer Entspannung der Situation führen. Was erreichen wir denn dadurch, dass beispielsweise die Instandhaltung für Straßen um 1,2 Mio. Euro gekürzt wird?
Der oft missbrauchte Begriff der Generationengerechtigkeit muss ja stets für die konsequente Forderung herhalten, keine neuen Schulden zu machen. Doch was nützt es den nachfolgenden Generationen keine Schulden zu haben, stattdessen jedoch eine völlig marode Infrastruktur?
Schulden sind auch Investitionen in die Zukunft. Kaum einer, der ein Haus errichtet, kann dies tun, ohne sich zu verschulden. Ich frage mich, wann der erste Politiker von CDU, FDP oder SPD die Schuldenbremse für Privathaushalte fordert???

Problematisch wird es erst, wenn den sich auftürmenden Schulden keine Vermögenswerte oder nennenswerte Einnahmen mehr entgegenstehen.
Die Einnahmeseite wurde bekanntlich in der Rot-Grünen Regierungszeit deutlich geschwächt; durch Senkung des Spitzensteuersatzes oder der Körperschaftssteuer. CDU und FDP oder jetzt CDU und SPD halten es nicht für notwendig, daran etwas zu ändern.

Und bevor jetzt jemand mit dem Begriff „Rekordsteuereinnahmen“ kommt - Renate Oehmke sprach ja in ihrer Rede von den sprudelnden Einnahmen. Da sieht man, dass sich selbst in der Grünen-Haushaltsrede die Propaganda niedergeschlagen hat - in einer Wachstumswirtschaft, wie der unseren, mit einem Inflationsziel von 2 %, hat man quasi IMMER Rekordsteuereinnahmen, wenn man die absolute Zahl betrachtet.

Die Steuerquote ist eine entscheidendere Größe, und die ist eben nicht auf einem Rekordhoch. Außerdem darf man nicht vergessen, dass die steuerliche Belastung der großen Einkommen und Vermögen, wie erwähnt gesenkt wurde, die Belastung der unteren und mittleren Schicht der Bevölkerung durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 % durch CDU und SPD deutlich erhöht wurde: es wurde also umverteilt, und zwar von unten nach oben! Dies gilt es umzukehren, lesen wir doch jeden Tag, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinanderklafft.

Wenn sich an der Einnahmeseite nichts ändert, wenn weder große Vermögen besteuert werden, oder Konzerne wie Amazon, Apple, Ikea oder Google praktisch keine Steuern zahlen, dann brauchen wir uns in naher Zukunft nicht mehr zu Haushaltsberatungen zusammenzusetzen. Und dabei ist es letztlich egal, ob man Straßen bauen, Kulturangebote schaffen oder Bäume pflanzen will: das wird alles ausfallen!

Trotz alledem möchte ich dennoch auf ein paar Punkte im Entwurf näher eingehen.
Zunächst einmal begrüße ich die Automatik, mit der bei Sinken der Landschaftsumlage die Kreisumlage gesenkt wird, da so die Haushalte unserer Städte und Gemeinden wenigstens etwas Luft zum Atmen erhalten.

Dass CDU und SPD sich bemüßigt fühlen, dies noch einmal zu beantragen, lässt den Verdacht aufkommen, dass man beim Lesen des Haushaltsentwurfes nur bis §6 Abs. 1 auf Seite 8, gekommen ist.

Wie ich bereits im Kreisausschuss sagte, fände ich es angebracht diesen Antrag zurückzuziehen. Es ist schlichtweg überflüssig, Dinge zu beantragen, die bereits im Entwurf 1:1 enthalten sind.

Man kann zumindest den von der großen Koalition eingebrachten Vorschlag auf Einführung eines Medizinstipendiums für den Märkischen Kreis als einen zaghaften Versuch werten, doch etwas gestalten zu wollen, allerdings ist dieser Versuch aus Sicht der Fraktion DIE LINKE nichts anderes, als Geldverschwendung. Dadurch wird kein Arzt mehr dauerhaft in unserer Region verbleiben, das Geld wird jedoch sicherlich von Einigen im Studium gerne mitgenommen werden. Kostenpunkt für den Märkischen Kreis: Fast ½ Millionen Euro. Das ist eine Leistung, die wir als unnötigen Luxus bezeichnen. Der Antrag ist für uns schlicht Aktionismus, damit man nach außen vermitteln kann, dass man sich irgendwie des Themas bewusst ist.

Ganz kurz zum Thema Kliniken: es wird ja nach und nach offenbar, dass dort in der Vergangenheit finanzpolitischer Unsinn betrieben wurde. Man fragt sich, was die politischen Vertreter im Aufsichtsrat da jahrelang „beaufsichtigt“ haben.

Weiter. Die Kürzung im Bereich der Instandhaltung hatte ich bereits eingangs kritisiert.

Wo wird noch gekürzt? Bei den Ärmsten der Armen. Die Kosten der Unterkunft wurden deutlich abgesenkt. Wozu führt das? Auch wenn unsere Sozialverwaltung es gerne bestreitet, wird es dazu führen, dass in den Städten eine zunehmende Ghettoisierung einsetzen wird. In Iserlohn haben wir bereits eine starke Konzentration von Armut in bestimmten Stadtteilen. Dies wird in nahezu allen Städten und Gemeinden ähnlich sein.
Wohnraum für Menschen im Sozialleistungsbezug gibt es bei den neuen, niedrigeren Sätzen jedoch nur noch in immer den gleichen Stadtteilen und immer den gleichen Objekten. Sie produzieren hier Probleme in den Städten und Gemeinden des Kreises. Wer das nicht sehen will, sollte sich mal mit den Wohnungsbaugesellschaften in Verbindung setzen, oder die örtlichen Sozialbehörden kontaktieren. Nicht umsonst hat der Sozialausschuss der Stadt Iserlohn den Märkischen Kreis aufgefordert, das Konzept nicht umzusetzen.

Die Antwort des Landrates darauf habe ich im Übrigen erst über unseren Sozialausschuss erhalten. Es wäre aus meiner Sicht erforderlich, den Kreistag und den zuständigen Ausschuss über derartige Beschlüsse zu informieren, und in die Beantwortung mit einzubinden.
Hier stehen nämlich auch Behauptungen aus dem letzten Ausschuss für Gesundheit und Soziales im Raum, die der Realität in den Städten nicht standhalten.

Zum Thema gab es einen Kommentar im Iserlohner Kreisanzeiger mit dem treffenden Titel: Der geförderte Niedrigmietsektor.

Das Konzept des Kreises sorgt dafür, dass Menschen in eigentlich inakzeptablen Wohnraum einziehen müssen, da nicht ausreichend anderer Wohnraum zur Verfügung steht. Die Vermieter bekommen andererseits selbst die miesesten Wohnungen vermietet, und sparen sich Kosten für eine Sanierung. Sie alle werden in Ihren Städten und Gemeinden in den kommenden Jahren die Auswirkungen sehen, sollten wir dieses unsägliche Konzept nicht endlich außer Kraft setzen.


Ohne die Diskussion noch einmal aufmachen zu wollen, hat die große Mehrheit dieses Hauses nicht einmal die Bereitschaft, selbst kleine Dinge gestalten zu wollen. Sogar die von uns beantragte Untersuchung auf Einführung eines Sozialtickets wurde, unterlegt mit fadenscheinigen Berechnungen mit irrwitzigen Annahmen, abgebügelt. Vielleicht versuchen einige von Ihnen mal einen Monat lang mit weniger als 400 Euro im Monat auszukommen, und dazu noch eine Monatskarte der MVG für knapp 70 oder fast 110 Euro zu erwerben. Das wird sicherlich ein Monat in Saus und Braus. Lassen Sie uns doch für die zahlreichen Menschen im Kreis, die auf Unterstützung angewiesen sind, die Erwerbslosen, die Aufstocker, endlich auch mal etwas tun!
Ich behaupte hier auch, dass wir dadurch im Endeffekt als Märkischer Kreis keinen Euro weniger in der Tasche haben!


Die alarmierenden Zahlen zum Sozialbereich hat die Kollegin Oehmke bereits erwähnt. Dazu ein Zitat des Landrates aus dem Weihnachtsgruß (Achtung Herr Ferber, ZITAT, nicht meine Meinung):

"Sorge bereiten mir die steigenden Sozialaufwendungen. Immer mehr Menschen auch im Märkischen Kreis sind auf Sozialleistungen angewiesen. 205 Millionen Euro müssen wir dafür im Kreishaushalt 2015 einplanen. Es kann nicht sein, dass wieder jede zweite Bewohnerin bzw. jeder zweite Bewohner in einem Altenpflegeheim - zusätzlich zu den Leistungen der Pflegeversicherung - auf finanzielle Unterstützung vom Märkischen Kreis angewiesen ist.

Umso mehr ist es nötig, den Hilfsbedürftigen unsere Hand zu reichen. Gerade in der Vorweihnachtszeit sind viele auf ein liebes Wort, auf eine nette Geste angewiesen."

Herr Landrat, ich bitte Sie! Das hilft Niemandem!


An zahlreichen Stellen im Haushalt werden Dienstleistungen extern vergeben. Hier gilt es eine Überprüfung anzustrengen. Die vor wenigen Jahren durchgeführte Überprüfung im Bereich der Gebäudereinigung hat ja bereits aufgezeigt, dass privat nicht günstiger ist. Schleierhaft ist allerdings der Beschluss des Kreistages hierzu, lediglich 50% der Reinigung in Eigenregie durchzuführen.
Hier und an anderen Stellen gilt es zu rekommunalisieren, und die Leistungen wieder durch Mitarbeiter des Kreises, die anständig bezahlt werden, zu erbringen!


Kommen wir zu einem der für mich wichtigsten Teilaspekte der Kreisfinanzen: dem – ich nenne es mal - Schattenhaushalt. Der Schattenhaushalt ist all das, was im Haushaltsentwurf des Kreises wenig bis gar nicht auftaucht: die zahlreichen Kreisgesellschaften. Der Märkische Kreis ist an 28 Gesellschaften beteiligt, davon 8 mit 100 % und eine mit 99%.
Allein auf den Bereich der Gesundheitsversorgung entfallen dabei elf, auf den Bereich der Abfallentsorgung vier Gesellschaften, nur um mal zu verdeutlichen wie zahlreich diese eigentlich originären Aufgaben der öffentlichen Hand in privatwirtschaftlicher Form betrieben werden. Dabei gibt es zahlreiche Geschäftsführer mit nicht unerheblichen Gehältern sowie Aufsichtsratsposten, die durchaus auch monetär ins Gewicht fallen.

Die Entscheidungen zu diesen Gesellschaften werden in aller Regel hinter verschlossenen Türen gefällt. Auch sind die Finanzströme kein Teil des normalen Kreishaushaltes mehr. Es wird mehr oder weniger nur ausgewiesen, was in die Gesellschaften rein geht, und was raus kommt. Das hat mit dem Vorrang der Öffentlichkeit, wie ihn die Kreisordnung vorsieht, nichts zu tun. Transparenz sucht man vergeblich.


Ist es wirklich notwendig für jeden noch so kleinen Teilbereich eigene Gesellschaften zu gründen? Wir fordern hier ganz klar, alle Gesellschaften auf den Prüfstand zu stellen, ob durch die Existenz der Gesellschaft ein handfester Vorteil für den Kreis entsteht.
Man kann den Eindruck gewinnen, dass hier Politik in dem Sinne gemacht wird, wie Paul Valéry es einmal formulierte: „Politik ist die Kunst, die Leute daran zu hindern, sich um das zu kümmern, was sie angeht!“
Wir brauchen an dieser Stelle Transparenz!


SCHLUSS
Meine Damen und Herren,
wir beraten hier heute einen Haushaltsplanentwurf, der kaum weniger zukunftsweisend sein könnte, und der sich mit den Gegebenheiten der Finanzierung der kommunalen Haushalte abfindet. Wenn weiterhin alle Kreise, Städte und Gemeinden das Spiel mitmachen, und mit allerlei Taschenspielertricks ihre Haushalte irgendwie – wenigstens im Entwurf – ausgleichen, dann wird sich die Abwärtsspirale weiter drehen.

Das Budgetrecht, und das gilt auch für die Ebene unseres Kreises, ist ein hohes Gut. In Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ist die kommunale Selbstverwaltungsgarantie verankert. Zu den elementaren Rechten der Selbstverwaltungsgarantie zählen die kommunale Finanzhoheit und die Abgabenhoheit, in einfachen Worten: die Aufstellung des Haushaltes.

Wo bleibt hier die kommunale Selbstverwaltung?

Wir wollen keinen Haushalt der nur verwaltet, wir wollen gestalten.
Daher lehnen wir diesen Haushaltsentwurf ab!