Haushaltsrede 2013

Marcel Käming
RedenPresse

Die Haushaltsrede für das Jahr 2013

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Liebe Kolleginnen und Kollegen im Kreistag,
Sehr geehrter Herr Landrat,

Schon mit meiner Anrede will ich den Anspruch dieser Haushaltsrede skizzieren.

Wir LINKE machen Politik nicht als Selbstzweck, sondern für die Interessen der breiten Bevölkerung, auch wenn uns Manche dabei Populismus vorwerfen. Wir LINKE ringen um politische Mehrheiten, innerhalb und außerhalb von Parlamenten, auch wenn uns andere Illusionen und Realitätsferne vorwerfen aber wir kritisieren dabei auch viele der Entscheidungen der verantwortlichen Parteien hier im Kreistag, wo Sie unserer Meinung nach Fehler machen und gemacht haben und setzen uns kritisch und konstruktiv damit auseinander.

Ich gebe zu, der Anspruch ist groß, bewerten Sie selbst, ob ich diesem hohen Anspruch gerecht werde.

An dieser Stelle bedanke ich mich bei der Verwaltung und der Kämmerei, die unter sicherlich nicht einfachen Bedingungen dieses umfangreichen Zahlenwerk erstellt haben und uns jederzeit für Fragen zur Verfügung standen.

Landrat Thomas Gemke hat in seiner Haushaltsrede im Dezember hier deutliche Worte gefunden: „210 Kommunen erhalten weniger Landeszuweisungen als im Vorjahr.“…“Diese Umverteilung zu Lasten der Kreise sowie der mittleren und kleinen Kommunen ist ungerecht und unsozial. „

Darin und in manch anderem, was er sonst noch sagte, findet er durchaus unsere Zustimmung. Die politische Analyse ist durchaus korrekt. Immer mehr Aufgaben aus Bund und Land werden auf die Kommunen übertragen, ohne dass der dafür eigentlich vorgeschriebene Ausgleich auch stattfindet.

Erneut plant nämlich der Kreis mit einem Defizit. Das heißt in der Sprache der kaufmännischen Buchhaltung, die der Märkische Kreis aus guten Gründen seit ein paar Jahren anwendet:

Der Kreis macht Verluste.

Er hat am Ende des Jahres weniger Nettovermögen als am Anfang des Jahres. Oder anders:

Die Erträge reichen nicht aus, um die Aufwendungen zu decken.

Jedes privat geführte Unternehmen wäre an diesem Punkt längst pleite und hätte seine Geschäftstätigkeiten aufgeben müssen. Für den Märkischen Kreis bedeutet das, die Schulden steigen dramatisch an:

Für das Jahr 2013 reden wir von rund 11 Millionen Euro

Diese dramatische Verschuldung ist vom Märkischen Kreis nicht zu tragen und auch nicht abzubauen.

Obwohl, meine Damen und Herren, wenn man allein die abgeschriebenen Aktienverluste der RWE-Aktien in Höhe von 10 Millionen Euro dagegenstellt…

Wenn man außerdem die Dividenden aus dem gleichen Aktienpaket betrachtet, die um 40% gesunken sind…

Meine Damen und Herren, hier wäre wenigstens eine Linderung der Verluste möglich gewesen, wenn man den Absprung aus riskanten Spekulationsgeschäften – und nichts anderes sind Aktienkäufe –die mit Geldern unserer Bürgerinnen und Bürger getätigt wurden, frühzeitig gewagt hätte.

Darauf verweisen wir allerdings nicht zum ersten mal.

Letztendlich ist die Überschuldung des Märkischen Kreises jedoch das Ergebnis der Politik von Bund und Land, die den Sozialstaat immer weiter abbauen.

Die Wurzeln für die finanzielle Tragödie der öffentlichen Haushalte insgesamt, die nun mit großer Wucht auf die Kommunen durchschlägt, wurden ganz wesentlich schon Ende des letzten Jahrhunderts gelegt.

Zunächst verzichtete 1997 die damalige schwarz-gelbe Regierung in Deutschland auf die Erhebung der Vermögenssteuer – ein Milliardengeschenk für die besonders Wohlhabenden. Und ausgerechnet die kurz darauf in die Regierungsverantwortung gewählte Koalition aus SPD und Grünen senkte den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer. Die Körperschaftssteuer der Unternehmen wurde ebenfalls gesenkt.

Und in dieser Zeit wurden auch die Finanzmärkte entfesselt und in der Folge kam es zu dramatischen Krisen von Banken, die viele Milliarden aus Steuergeldern verschlungen und die Schuldenlast der öffentlichen Haushalte weiter verschärft haben. Die nachfolgenden CDU-geführten Regierungen senkten die Steuern für die Bessergestellten weiter, und zwar dann vor allem für die Vermögensbesitzer.

Wer mit seiner Arbeit sehr gut verdient, muss seither in der Spitze maximal 45 Prozent Einkommensteuer (inklusive der sogenannten Reichensteuer) abgeben, wer sein Einkommen aus Zinsen und Dividenden bezieht, maximal 25 Prozent. Das ist nicht akzeptabel

Als Helmut Kohl noch Bundeskanzler war – und, meine Damen und Herren, sie werden mir sicherlich glauben, dass wir als LINKE unverdächtig sind, ein Anhänger der damaligen Kohl-Regierung gewesen zu sein -galt ein Spitzensteuersatz von 53 Prozent plus Solidaritätszuschlag für alle Einkunftsarten, also auch für Zinsen und Dividenden.

Wie hat Sigmar Gabriel beim Neujahrsempfang der SPD in Langenselbold gesagt:

"Das trauen sich heute nicht einmal mehr die Jusos zu fordern!"

Das sind wesentliche Ursachen für die finanzielle Misere öffentlicher Haushalte:

Nämlich die Steuergeschenke für die Unternehmen und für die Wohlhabenden.

All das aber ist Bundespolitik, zum Teil auch Landespolitik.

Wir jedoch reden hier über den Märkischen Kreis. Daher fordern wir an dieser Stelle erneut die Kolleginnen und Kollegen aus CDU und FDP im Kreis auf, Druck auf ihre in Regierungsverantwortung im Bund sitzenden Parteifreundinnen und Parteifreunde zu machen. Und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen aus SPD und GRÜNEN, auf die in Düsseldorf.

Denn die fehlenden Einnahmen aus der Einkommensteuer und der Vermögenssteuer treffen eben auch den Märkischen Kreis.

Die Schizophrenie in der Politik muss endlich enden.

Wir können nicht gemeinsam und einheitlich in den Kommunen feststellen, dass wir unter der Bundes- und Landespolitik leiden und die zum teil gleichen Akteure, die hier jammern, beschließen in Düsseldorf und Berlin das Gegenteil.

Die kommunale Autonomie hat Verfassungsrang und die bewusste Verschlechterung der kommunalen Finanzen ist damit Verfassungsbruch.

Die Haushaltsmisere des Märkischen Kreises und so vieler weiterer Kommunen ist Ausdruck der kommunalfeindlichen Politik aller Bundesregierungen und der NRW-Landesregierungen, unabhängig von ihrer Farbkomposition. Diese Politik – die übrigens von Ihren Parteitagsdelegierten immer mit getragen wurde - hat die kommunale Selbstverwaltung strukturell geschwächt und schwächt sie weiter.

Wir bleiben dabei: Das kann keine noch so effektive Kommunalpolitik alleine wieder gerade biegen.

Wenn der Märkische Kreis seine Aufgaben wahrnehmen will, muss er sich also die Mittel dafür beschaffen.

Wobei es in diesem Zusammenhang unverständlich ist, dass es versäumt wurde, beispielsweise das von der Landesregierung bereit gestellte Geld zum Sozialticket zu beantragen. Will man nicht verstehen das HartzIV-Betroffene ohne Sozialticket den öffentlichen Nahverkehr eben wenig oder gar nicht nutzen?

Hier würde kein Einnahmeverlust entstehen, sondern eine zusätzliche Einnahme durch die Gebühr für das Sozialticket und somit ein Gewinn!

Aber: Wenn Bund und Land – zugunsten der Reichen – Zuweisungen und Zuschüsse kürzen, dann gibt es für den Kreis im Wesentlichen nur noch ein Mittel, um gegenzusteuern:

Die Kreisumlage, die in diesem Jahr 47,1 % ausmacht.

Und dies bedeutet für alle kreisangehörigen Kommunen eine hohe, wenn nicht untragbare Belastung.

Die Kritik an der Haushaltspolitik ist also völlig verständlich, wenn auch wenig hilfreich, denn die Verursacher der hohen Defizite im Kreishaushalt sitzen nicht in Lüdenscheid.

Meine Damen und Herren, auch in diesen Haushaltsberatungen können wir uns nicht nur auf die örtliche Sicht beschränken, - die gibt es so nicht und unsere Probleme sind mit Bordmitteln allein nicht mehr zu lösen. Wer das nicht sehen will, der will perspektivlos weiter machen, in der vagen Hoffnung, dass der Orkan sich legt, um dann so weiter zu wursteln wie bisher. Das wird nicht funktionieren und wäre auch politisch völlig verantwortungslos.

Ohne wirksame Entschuldungshilfen des Landes, aber vor allem des Bundes, wird es vielen Kommunen, also auch dem Märkischen Kreis, nicht gelingen, sich nachhaltig zu entschulden, weil man sich am eigenen Schopf nicht aus dem Sumpf ziehen kann.

Wir brauchen endlich eine grundlegende und solidarische Reform der Gemeindefinanzierung, die für eine stetige Einnahmesituation sorgt.

Aber; Wo bleibt das Eingeständnis, da haben wir Fehler gemacht. Wer hat denn die Finanzmärkte entfesselt, die Leiharbeit liberalisiert und war auf den Niedriglohnsektor in Deutschland stolz? Wer hat´s erfunden?

Auch hier im Kreis ist einiges (Teil)privatisiert und verkauft worden, was uns heute auf die Füße fällt. Als Beispiel sei hier nur die AMK genannt. Aber auch die Ausgliederung in Vergesellschaftung von Teilen unseres Klinikums.

Ja, Herr Hoffmann, wenn Sie von Überlegungen zur Teilprivatisierung reden, dann muss ich Sie korrigieren: Das Untergliedern und Ausgliedern eines kommunalen Betriebes in Untergesellschaften mit mehr oder weniger wirtschaftlichen Zweigen ist bereits eine Form von Teilprivatisierung. Vor allem dann, wenn man es privaten Gesellschaftern, wenn auch mit einem noch so geringen Prozentsatz erlaubt, sich in kommunale Betriebe einzukaufen. Siehe WIDI.

Wo wir gerade von Krankenhäusern sprechen:

Wenn rund 70% der Krankenhäuser in NRW kein positives Ergebnis erreichen, dann ist dies ein Systemfehler.

Nicht die Beschäftigten und der Märkische Kreis müssten die Hauptlast der Investitionen tragen, sondern dazu ist die jeweilige Landesregierung vor allem in der Pflicht.

Der Krankenhaus Rating Report 2012 stellt fest, dass sich bereits 10% aller Häuser in Insolvenzgefahr befinden – inzwischen sind es 15%. Nur rund die Hälfte erwirtschaftet ausreichende Erträge, um ihre Substanz zu erhalten.

Die Ursachen liegen bei einer verfehlten Gesundheitspolitik aller Bundes- und Landesregierungen der letzten 20 Jahre. So kommen die Länder Ihren Verpflichtungen aus dem Krankenhausfinanzierungsgesetz zur Finanzierung der Krankenhausinfrastruktur seit Beginn der 90er Jahre völlig unzureichend nach. Der daraus resultierende Investitionsstau beträgt bundesweit etwa 50 Milliarden, allein in NRW etwa 14 Milliarden Euro. Das Land hat seit 1992 seine Investitionen in die Krankenhäuser um die Hälfte reduziert. NRW hat in den letzten 20 Jahren die niedrigste Investitionsrate bundesweit und die derzeitige Rot/Grüne Landesregierung scheint da auch keinen Änderungsbedarf zu sehen.

Eine Gesundheitspolitik, die im neoliberalen Sinne aus kranken Menschen Fallzahlen und Fallpauschalen macht und damit diese zur Ware degradiert, ist verfehlt. Krankenhäuser dürfen nicht auf profitorientiertes Wirtschaften – so wie es die Gesundheitsreform wollte –ausgerichtet werden. Die Organisation des Gesundheitswesens ist und bleibt eine öffentliche Aufgabe.

Kolleginnen und Kollegen,

Sehr geehrter Herr Gemke,

ich komme zum Schluss, nicht ohne eine etwas zynische Schlussnotiz zur Vortragskultur in Deutschland. Unseren Kämmerer, Herrn Fritz Heer, will ich beruhigen, meine Rede heute ist ausnahmsweise kostenfrei, ich hoffe allerdings, Sie war nicht umsonst.

Danke für das Zuhören.

Ach, fast hätte ich vergessen, was Sie sich nach meinen Ausführungen sicherlich schon denken können:

Meine Fraktion wird diesen Haushalt ablehnen.

Ich kann nur allen verantwortungsvollen Politikerinnen und Politikern auf kommunaler und auf Kreisebene anraten, sich uns anzuschließen und gemeinschaftlich ein Zeichen zu setzen, nicht mehr länger hinzunehmen, dass Bund und Land immer neue Aufgaben auf die Kommunen verteilen, und die Zeche zahlen wir.

Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker aller demokratischer Parteien vereinigt Euch!